AËTAN GAUDISSARD, DIE STIMME DER ALPEN

Träumen, während die Füße auf dem Boden bleiben, oder besser gesagt auf den Skiern: So lautet das Motto des Skiprofis Gaëtan Gaudissard.

HZum Träumen braucht er jedoch nicht erst in die Ferne zu reisen, denn die Alpen reichen ihm dafür allemal. Neue Lines suchen, die bekanntesten immer schneller befahren oder sogar zwei Täler weiter auf Entdeckungsreise gehen: Was auch immer er sich vornimmt, vor der eigenen Haustür wird es ihm ganz gewiss nie langweilig.

Dieser Leitspruch ist übrigens für ihn zu einer wahren Lebenseinstellung geworden, über die er sogar einen Film gedreht hat – unter dem ebenso schönen wie auch aussagekräftigen Namen „Conscience“ . Zwischen Hinterfragen, alarmierenden Erkenntnissen und Umstellen der Lebensweise lässt diese Ode an eine neue Art des Skifahrens keinen Bergbewohner gleichgültig ... auch uns nicht!

Gaëtan hat sich von uns interviewen lassen und konnte so unsere Neugier auf seinen Werdegang, seine Skiprojekte und auch auf seine inspirierende Lebensphilosophie stillen. Erfahren Sie hier mehr über unser Treffen mit diesem renommierten Wintersportler, der nichts dem Zufall überlässt, schon gar nicht in Sachen Ökologie !

Hallo Gaëtan ! Auch wenn unsere Ski-begeisterten Leser Sie sicher sehr gut kennen, können Sie sich kurz vorstellen ?

Wie Sie es bereits gesagt haben: Ich bin seit jeher leidenschaftlicher Skifahrer. Erst bin ich Rennen gefahren, dann ging es in die Berge. Durch mein Studium habe ich mich für eine Weile von diesem Umfeld entfernt, denn ich habe in der Automobilindustrie gearbeitet und dann ein Ingenieurstudium in Mechanik und Kunststoffverarbeitung absolviert. Einige Jahre später kehrte ich also mit einer neuen Sichtweise und einer neuen Priorität in die Berge zurück: Ich wollte meine Lieblingssportarten ausüben, ohne diese Umwelt, meinen Lebensraum zu beeinträchtigen. Ich habe dort oben viel Zeit verbracht – mal auf Skiern, mal in Laufschuhen, ja sogar auf dem Fahrrad – und war dabei natürlich immer auf meine sportliche Leistung bedacht, denn das ist es immer noch, was mich glücklich macht.

Sie haben kürzlich einen Film gedreht, „Conscience“, der auch auf dem High Five Festival gezeigt wurde. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen solchen Film zu machen ?

Ich fahre nicht einfach nur Ski, ich denke auch immer mehr darüber nach, wie und warum ich etwas mache. Und vor allem, welche Auswirkungen mein Handeln hat. So lag die Idee eigentlich ganz nahe, diese Gedanken zu teilen und die Fantasie der jungen Menschen anzuregen … sowie die Fantasie der Junggebliebenen !

Interview Gaetan Gaudissart

Erzählen Sie uns mehr über Ihre Gedanken : Gibt es eine Botschaft, die Sie durch Ihren Film vermitteln möchten ?

Der Untertitel des Films gibt die Richtung vor und überbringt die Botschaft, die ich vermitteln möchte: „Sich für das Problem zu interessieren, ist bereits Teil der Lösung“. Dahinter steckt die Idee, die Gewohnheiten zu ändern … und das einfach nur durch Umdenken ! Ich möchte mit diesem Film zeigen, dass sportliche Leistung mit Respekt für die Umwelt einhergehen kann, im Gegensatz zum Wettbewerb. Es gibt haufenweise Lösungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich, man braucht bloß ein wenig Vorstellungskraft. Ich denke auch, dass Veränderungen umso positiver sind, wenn sie nicht überstürzt erfolgen, und auf eigener Initiative beruhen. Wir müssen uns bewusstwerden, welche Zukunft uns wirklich erwartet !

Sie haben für die Dreharbeiten zu diesem Film mehrere Bergbewohner und Sportler kennengelernt, die wie Sie versuchen, anders zu leben. Wie gehen diese Menschen das an ?

Ehrlich gesagt, an Lösungen mangelt es nicht. Insgesamt konnte ich mehrere Gemeinsamkeiten zwischen ihnen allen feststellen :

  • - Einfacher leben, einen Gang runterschalten
  • - Raus aus unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft
  • - Unserem Handeln einen Sinn geben
  • - Sich Zeit zum Nachdenken nehmen
  • - Leben, ohne sich mit anderen zu vergleichen

Was sind Ihre eigenen Vorschläge und Alternativen, um Ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern ?

Um meine Auswirkungen zu reduzieren, habe ich meine Lebensweise umgestellt. Ich achte auf regionale und Bio-Ernährung und ich habe meine Hobbys und die Art, wie ich sie ausübe, geändert. Außerdem beschränke ich meine Autofahrten auf 5000 km, sodass ich mittlerweile fast alle Strecken mit Rad und Bahn zurücklege. Ich informiere mich und handle politisch, und ich versuche, mir meiner Auswirkungen so gut wie möglich bewusst zu sein, um nachhaltig zu leben. Langfristig möchte ich bei meiner eigenen Unterkunft ans Werk gehen und einen Beruf finden, der zu dieser Lebensweise passt ! Diese Lösungen sind natürlich weder universell noch perfekt, geschweige denn die besten, sondern einfach nur an meine aktuelle Lebensweise angepasst.

Gaetan Gaudissart à velo

Welche Maßnahmen können Ihrer Meinung nach in Skigebieten umgesetzt werden ?

Die erste Maßnahme besteht darin, die Förderung des Massentourismus politisch zu stoppen. Wir müssen der Konsumphilosophie der Reisebüros ein Ende setzen. Auch müsste sich bei der Art der Anreise zum Urlaubsort etwas ändern: 60 – 70 % der Emissionen eines Skigebietes entstehen durch die Anfahrt ! Gebäude könnten so gebaut, ja sogar umgebaut werden, dass die Architektur dabei dem Bergklima besser angepasst ist, insbesondere in Bezug auf Wärmeisolierung, Gebäudeausrichtung nach Süden, kurzum alles, was derzeit nicht gemacht wird, oder jedenfalls nicht ausreichend ! Ich denke, es ist auch wichtig, die Wintersportler aufzuklären und für das Schutzbedürfnis der Umwelt zu sensibilisieren. Die Berge sind schließlich kein Konsumgut, wie man es von einem Vergnügungspark behaupten könnte. Ich habe noch viele andere Ideen auf Lager : Man sollte damit aufhören, immer schnellere Sessellifte zu bauen, man sollte die Pisten nicht systematisch präparieren, Kunstschnee sinnvoller einsetzen … die Liste ist endlos lang !

Glauben Sie, dass diese Lösungen von Menschen umsetzbar sind, die z. B. in Paris, oder einfach nur weit weg von den Bergen wohnen ?

Natürlich sind alle diese Lösungen umsetzbar, insofern wir die damit verbundenen Einschränkungen akzeptieren. Wenn uns die Einführung dieser Einschränkungen glücklich macht, weil sie es uns ermöglichen, unseren Lebensraum zu schützen und für uns von Bedeutung sind, dann lässt sich dies alles viel einfacher umsetzen.

Gaetan Gaudissart skieur professionnel

„Öko-Skifahren“ ist Ihrer Meinung nach also wirklich möglich ? Sehen Sie so die Praxis für die Zukunft ?

Öko bedeutet nicht, in einer Höhle zu leben : Es beginnt bereits damit, sein eigenes Handeln zu verstehen, sich über die kleinen Dinge freuen zu können, in aller Einfachheit zu leben ! Dies gilt dann auch für das Skifahren. In meiner Vorstellung wird das Skifahren der Zukunft darin bestehen, dass jeder dort Ski fährt, wo er möchte, und sich so dorthin begibt, wie es ihm selbst richtig erscheint. Nicht wie heutzutage, wo viele Leute die Gipfel befahren, um Anerkennung zu ernten, oder mit dicken Autos dort ankommen, um als „stylish“ zu gelten.

Viele Marken engagieren sich für ökologische, umweltfreundlichere Produktionsweisen. Wie lässt sich Green Washing von echtem ökologischem Handeln der Marken unterscheiden ?

Der Unterschied ist manchmal schwer zu erkennen, gerade in einer Industriebranche, die zu wenige Rohstoffe aus Europa bezieht. Greenwashing ist für mich, wenn das Handeln zwar schön „erscheint“, aber wissenschaftlich gesehen nicht den Tatsachen entspricht. Es geht nicht nur darum, ein kleines grünes Logo anzubringen. Echtes Engagement besteht zum Beispiel darin, die Produktionsmethoden zu ändern oder generell eine andere Richtung einzuschlagen.

Gaetan Gaudissart film Conscience

Wie sehen Ihre Zukunftspläne nach diesem schönen Film aus ?

Ich arbeite zurzeit an einem Projekt mit Alex, meinem Filmproduktionspartner, und Victor Galuchot, der meine Werte und Leidenschaft für das Skifahren teilt. Es geht dabei um andere Arten von Videos, die Reflexion, ökologisches Handeln und Skileistungen kombinieren. Mehr sage ich im Moment nicht dazu, freuen Sie sich einfach darauf, dies bald alles selbst entdecken zu dürfen !